Kennst du den Unterschied zwischen der Arbeit mit einem Schauspielcoach und einem Regisseur?

Worauf es beim Casting ankommt

Schauspielunterricht liefert dir wichtige Fähigkeiten und Kenntnisse für die Arbeit mit einem Caster und Regisseur. Um dich auf ein Vorsprechen einzustimmen, musst du die wesentlichen Unterschiede verstehen zwischen der Art, wie am Set oder im Theater Anweisungen erfolgen und wie das im Schauspielunterricht geschieht. Regisseur:innen geben Hinweise, die befolgt und schnell umgesetzt werden müssen, während Coaches Hinweise geben, die dir helfen, deine Performance organisch zu entwickeln. Um bei deinem Vorsprechen erfolgreich zu sein, musst du also die unterschiedliche Arbeitsweise von Schauspiel-Coaches und Regisseur:innen verstehen, ebenso wie ihre unterschiedliche Art dich anzuleiten.

Stell dir vor, du bist bei einem Casting. Vielleicht gehst du gerade einen Monolog durch oder rezitierst Sätze aus einer Szene, während du nervös darauf wartest, aufgerufen zu werden. Während du dich vorbereitest, erinnerst du dich an die Anweisungen, die du von deiner Schauspiellehrerin bekommen hast. Im Casting-Raum angekommen, trägst du deine Szene vor. Was dann passiert, ist offen. Entweder die Jury aus Castern, Film- und/oder Fernsehregisseuren lächelt und sagt: „Danke, der Nächste!“ Oder sie geben dir Anweisungen und Korrekturen. Dann wird es spannend. Um ihre Regieanweisungen zu befolgen, musst du einerseits die grundlegenden Fähigkeiten des Schauspielens erlernt haben, aber du brauchst auch die Fähigkeit, die Fachsprache und Denkweise der Profession Film / Theater zu verstehen. Caster und Regisseure erwarten, dass die Schauspieler:innen ausgebildet sind und vorbereitet auf die Rolle, für die sie vorsprechen. Aber sie sprechen nicht unbedingt dieselbe Sprache wie du sie aus dem Unterricht kennst.

Falls du schon mit mir oder einem anderen Schauspielcoach gearbeitet hast, weißt du, was ich meine. Beim Schauspielunterricht hilft man dir, tief in die Motivationen, Ziele und Konflikte einer Figur einzutauchen. Es ist ein gemeinsamer Prozess, der dir als Schauspieler:in hilft, deine Wahrheit in der Figur zu finden, authentisch mit ihr zu verschmelzen und ihr dadurch zu Glaubwürdigkeit zu verhelfen. Manchmal musst du einen Charakter spielen, der dir ähnlich ist. Ein anderes Mal ist eine Rolle sehr weit weg von deiner eigenen Persönlichkeit. Die Aufgabe von Schauspiellehrer:innen ist, dir dabei zu helfen, dass du Szene, Skript und Rolle verstehst und damit umgehen kannst. Im Schauspielunterricht lernst du, starke und interessante Entscheidungen im Sinne deiner Figur zu treffen und so im Vorsprechen zu überzeugen.

Verschiedene Sprachen

Ein:e Regisseur:in sagt vielleicht: „Mach‘s größer.“ Ich dagegen gebe oft die Anweisung: „Geh tiefer in die Emotion hinein.“ Caster bitten dich womöglich, schneller zu sprechen. Als Schauspiellehrerin sage ich: „Finde die Not, die dazu führt, dass du schneller sprechen musst.“ Diese Art Anweisung hilft den Schauspielschüler:innen, die Figur tiefer auszuloten und über das nachzudenken, was sich unter der Oberfläche befindet.

Es ist auch nicht meine Aufgabe, meinen Student:innen zu sagen, WIE sie etwas spielen sollen, aber am Set bekommt man es häufig gesagt. Wenn Schauspieler:innen fragen, WIE sie einen Satz sagen sollen, gibt man als gute:r Schauspieltrainer:in keine Antwort. Mit Hilfe meines Unterrichts lernst du zu fragen: „WARUM sagt meine Figur das?“ oder „Was will sie in diesem Moment, WOFÜR kämpft sie?“ Daraus ergibt sich, wie du in der Rolle denkst und handelst und wie du einen Satz sagst. Doch erwarte nicht, dass ein Caster oder Regisseur die Zeit oder die Technik hat, auf diese Weise mit dir zu arbeiten.  

Zuhören und Anweisungen befolgen

Wenn du zu einem Vorsprechen eingeladen wirst, glaubt das Casting-Team, dass du in der Lage bist, die Rolle zu spielen. Wenn du weiterkommst, denken sie, dass du sie gut machst. Trotzdem können sie dir Anweisungen geben, um zu testen, wie anpassungsfähig du bist und wie gut du etwas umsetzt. Casting-Direktor:innen oder Regisseur:innen geben dir Hinweise, die du aus dem Schauspielunterricht nicht kennst, etwa „mehr Gesten einbauen“ oder „lauter oder langsamer sprechen“. Manchmal bitten sie dich sogar, dass du nur vorliest, damit sie schnell das zu sehen bekommen, was sie suchen. Dann ist es deine Aufgabe, diese Regieanweisungen in deinem Inneren zu begründen. Kläre für dich, warum die Figur diese Dinge tun könnte. Andernfalls wirkst du hölzern oder überfordert. Erwarte nicht vom Casting-Team, dir zu erklären, warum die Rolle etwas tut!

Beim Film und Fernsehen sucht man nach Profis, die zuhören und Anweisungen befolgen können. Man castet nicht nur Menschen mit bestimmtem Aussehen oder überzeugender Darstellung, sondern vor allem auch Schauspieler:innen, die flexibel sind. Am Set herrscht ein exorbitanter Druck, Szenen zeitnah fertigzustellen. Schauspieler:innen, die nicht in der Lage sind, stilistische Hinweise aufzunehmen und ihre Darbietung schnell anzupassen, haben größte Schwierigkeiten, Aufträge zu bekommen.

Nur selbstbewusste Schauspieler werden engagiert

Casting-Direktoren suchen nach einem guten Maß an Selbstvertrauen. Wenn du als Schauspieler:in im Unterricht hart daran gearbeitet hast, bist du gut darauf vorbereitet und in der Lage die Regieanweisungen beim Vorsprechen mühelos umzusetzen. Je mehr Auditions du absolvierst, desto besser verstehst du, wie du die Anmerkungen eines Regisseurs interpretierst und am besten umsetzt.

Es ist natürlich wichtig, dass du als Schauspielanwärter:in deine Fähigkeiten trainierst, sei es in Schauspielkursen oder Einzelunterricht, und dass du dich im Training auf die Castings, Proben und Dreharbeiten vorbereitest. Am Ende aber geht es darum, den Regisseur davon zu überzeugen, dass er dich haben will und mit dir am Set arbeiten kann.

Du schaffst das. Go for it!